Forschungspreis 2011 Feuer – (k)eine Chance für die Gottesanbeterin?

Der achte H&W-Forschungspreis für Naturschutz geht 2011 an Christian Stärz vom Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster. In seiner Masterarbeit unter dem Titel «Feuer – (k)eine Chance für die Gottesanbeterin?» hat er die Populations- und Larvalökologie der gefährdeten Fangschrecke auf Rebböschungen am Kaiserstuhl (D) erforscht.
Brand

Nebst zahlreichen weiteren Fragen richtet er ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen des winterlichen Flämmens, einer früher häufig praktizierten Form der Böschungspflege. Der Preisträger zeigt, dass die Gottesanbeterin als weitgehend «feuerresistent» bezeichnet werden kann. Die Eigelege verbrennen zwar teilweise und es schlüpfen daraus auch weniger Larven, doch die geflämmten Flächen weisen im Folgejahr höhere Individuen- und Kokondichten auf als brach belassene Böschungen. Dank der Beseitigung der Streuedecke bieten die Flächen offenbar bessere Entwicklungsmöglichkeiten. Und Flächen mit Totalverlust werden von den Larven rasch wieder besiedelt.

Ob das kontrollierte winterliche Abbrennen als kostengünstiges Instrument des Naturschutzes unter Auflagen wieder zugelassen werden soll, wird derzeit vor allem in Deutschland, aber auch in den Niederlanden und Dänemark diskutiert. Die Forschungsresultate von Christian Stärz leisten einen wertvollen Beitrag dazu. Zusammen mit Ergebnissen anderer Studien kommen die Forscher der Uni Münster zum Schluss, dass für den Kaiserstuhl das Flämmen nach definierten Regeln (Abbrennen von unten nach oben, räumliches und zeitliches Mosaik) vertretbar ist und zum gewünschten Ziel führt. Wärmebegünstigte Lebensräume, die andernfalls durch Nutzungsaufgabe und Sukzession zu verschwinden drohen, können so erhalten werden. In der Schweiz ist das flächenhafte Abbrennen derzeit kein Thema; es ist gesetzlich untersagt.


Zusammenfassung der Arbeit

Dipl.-Landschaftsökologe Christian Stärz hat die oben genannte Diplom-Arbeit am Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster (Erstbetreuer: PD Dr. Fartmann) in Kooperation mit der Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung J. Trautner in Filderstadt (Zweitbetreuer: Matthias Buchweitz) erstellt.

Die Gottesanbeterin Mantis religiosa zählt in Deutschland zu den gesetzlich besonders geschützten Arten (BArtSchVo). Sie erreicht in Süddeutschland ihre nördliche Arealgrenze und wird bundesweit als gefährdet eingestuft. Seit dem Jahr 2000 wird im Kaiserstuhl der kontrollierte Feuereinsatz als Pflegetechnik zur Offenhaltung der Rebböschungen erprobt. Die Auswirkungen des winterlichen Brennens auf die Gottesanbeterin und ihren Lebensraum waren bislang allerdings unbekannt. Daher musste das Brennen der Rebböschungen kritisch hinterfragt werden:


Wie stark ist Mantis religiosa vom Feuereinsatz betroffen?

Da ein Großteil der Lebensräume in grasreichen und somit gut brennbaren Böschungstypen liegt, ist grundsätzlich von einer Beeinträchtigung der Gottesanbeterin auszugehen. Jedoch ist nicht die gesamte Population im Kaiserstuhl vom Feuereinsatz betroffen. Rohbodenreiche und lückige Strukturen sind entweder aufgrund spärlicher Vegetation nicht brennbar oder stehen laut Gesetz unter Schutz (Naturschutzgebiete, geschützte Biotope).

Gottesanbeterin Maennlich

Wie beeinflusst das Feuer die Entwicklung der Larven?

Obwohl die äußere Isolierschicht der Ootheken (Eigelege) die extreme Hitze des Feuers etwas abpuffern kann, wirkt sich das Brennen negativ auf die Eier aus. In den gebrannten Flächen schlüpfen im Vergleich zu ungeflämmten Böschungsteilen nur halb so viele Larven aus den Ootheken.


Können gebrannte Flächen wiederbesiedelt werden?

Bereits im Larvenstadium findet eine Wiederbesiedlung der meisten Brandflächen durch die Gottesanbeterin statt. Auch im weiteren Jahresverlauf lassen sich ausgewachsene Tiere und neue Eigelege in den Brandböschungen finden. Die Wiederbesiedelung ist auch mittelfristig erfolgreich, wie Untersuchungen aus den Folgejahren zeigen.

Eigelege Oothek

Wie wirkt sich die durch das Feuer verursachte strukturelle Veränderung der Biotope auf die Lebensräume von Mantis religiosa aus?

Die im Winter gebrannten Flächen weisen in der darauf folgenden Vegetationsperiode höhere Individuendichten der Gottesanbeterin auf als dies in Brachen der Fall ist. Selbst bei einer vollständigen Vernichtung aller Ootheken durch das Feuer werden die Verluste auf den Brandflächen langfristig durch die Schaffung niedrigwüchsiger und offener Böschungen kompensiert oder sogar überkompensiert.

Kaiserstuhl

Fazit

Die direkte Hitzeeinwirkung des Feuers wirkt sich negativ auf die Embryonalentwicklung der Gottesanbeterin aus und verursacht Populationsrückgänge. Jedoch ist durch das Flämmen kein nachhaltiger Verlust der Lebensräume zu erwarten, und es besteht die Möglichkeit der Wiederbesiedelung. Die durch das Brennen geschaffenen lückigen und grasreichen Pionierstadien bilden für Mantis religiosa optimale Lebensräume und spielen eine wichtige Rolle für die Sicherung des Bestandes. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen kann die Gottesanbeterin in den Kaiserstuhlböschungen weitgehend als „feuerresistent“ bezeichnet werden. Dies gilt jedoch nur für das winterliche Brennen und sofern in jedem Jahr nur einzelne Teilflächen geflämmt werden.