Forschungspreis 2012 Skalenabhängiger Einfluss der Gewässerstrukturgüte auf die ökologische Qualität des Makrozoobenthos

Der neunte H&W-Forschungspreis für Naturschutz geht an Philippa Maria Breyer von der Universität Koblenz-Landau. In ihrer Masterarbeit hat sie den Einfluss der Gewässerstrukturgüte von Fliessgewässern auf die ökologische Qualität untersucht. Anlass dazu gab die Erkenntnis, dass viele kleinräumige Revitalisierungsmassnahmen nicht die erhoffte Verbesserung bei der Tierwelt erbrachten.
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Die Preisträgerin konnte erstmals zeigen, dass die lokale Strukturgüte die ökologische Qualität nicht in dem Mass zu beeinflussen vermag, wie bisher angenommen: Die Vielfalt der Gewässertiere, die von ihr mit einer ähnlich Methode erfasst wurde wie das in der Schweiz verwendete «Modul IBCH», wird überwiegend vom grösserräumigen Strukturangebot bestimmt, unabhängig von der lokalen Strukturgüte. Das Ergebnis interpretiert sie als Folge von «source-sink»-Prozessen auf regionaler Skala: Ist die regionale Makrozoobenthos-Gemeinschaft verarmt, können die lokal vorhandenen Strukturen nicht besiedelt werden.

Für die Praxis der Gewässerrevitalisierung muss die Strukturgüte deshalb auf einer grösseren räumlichen Skala betrachtet werden als die Massnahme selbst. Bei schlechter regionaler Strukturgüte können Renaturierungen nur begrenzt Verbesserungen bei der Ökologie erwirken. Insbesondere sind Trittsteine – kurze Abschnitte hoher Strukturvielfalt – nur bei einer ausreichenden regionalen Strukturgüte zu empfehlen.

Zusammenfassung der Arbeit

Im Zuge der EG-Wasserrahmenrichtlinie wurden zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt, um Fließgewässer wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Viele dieser kleinräumigen Maßnahmen erzielten jedoch keine zufriedenstellenden Ergebnisse bei den Lebensgemeinschaften, obwohl eine verbesserte Gewässerstruktur hergestellt wurde.

In dieser Masterarbeit wurde anhand des Makrozoobenthos der Zusammenhang zwischen Gewässerstruktur und Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften in Fließgewässern untersucht. Es wurde angenommen, dass zusätzlich zur lokalen Gewässerstruktur am Makrozoobenthos-Probenahmeort auch die durchschnittliche regionale Gewässerstruktur im 5-km-Umfeld um den Beprobungsort einen Einfluss auf die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften hat.

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Die Analysen zeigten, dass die lokale Gewässerstruktur nur einen geringen Einfluss auf die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften hat. Der Einfluss der regionalen Gewässerstruktur war hingegen deutlich stärker und überlagerte teilweise sogar den Effekt der lokalen Gewässerstruktur. Wenn die regionale Gewässerstruktur schlecht war, dann war auch die Bewertung der Lebensgemeinschaften unabhängig von der lokalen Strukturgüte meist schlecht. Ebenso war die Bewertung der Lebensgemeinschaften unabhängig von der lokalen Strukturgüte meist gut, wenn die regionale Strukturgüte gut war. Nur bei einer mittleren regionalen Gewässerstruktur war ein starker Zusammenhang zwischen lokalen Gewässerstruktur und der Bewertung der Lebensgemeinschaften gegeben.

Grund dafür, dass die Naturnähe der lokalen Gewässerstruktur oft nicht in der Zusammensetzung des Makrozoobenthos widergespiegelt wird, ist im starken Einfluss der Lebensgemeinschaften im regionalen Umfeld begründet. Umfelder von sehr guter regionaler Gewässerstruktur haben zahlreiche Gewässerbereiche mit naturnahen Lebensgemeinschaften aus denen viele Gewässerorganismen in andere Abschnitte abwandern. Diese von außen kommenden Besiedlungsquellen haben einen so starken Effekt, dass sie selbst Abschnitte mit sehr schlechter lokaler Gewässerstruktur aufwerten können. Umgekehrt sind Umfelder mit sehr schlechter regionaler Gewässerstruktur weiträumig so schlecht besiedelt, dass auch Abschnitte mit sehr guter lokaler Gewässerstruktur zu isoliert liegen und deshalb ebenfalls nur eine schlechte Zusammensetzung des Makrozoobenthos haben. Das Umfeld verhindert hier einen ausreichenden Austausch mit anderen Lebensgemeinschaften und limitiert so die Besiedlung der guten Gewässerbereiche. Im Bereich mit mittlerer regionaler Gewässerstruktur überwiegt keiner der genannten Einflüsse des Umfeldes. Hier ist die lokale Gewässerstruktur deshalb ausschlaggebend für die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften.

Hinweise für die Renaturierungspraxis

Die Ergebnisse machen deutlich, dass bei Fließgewässerrenaturierungen die Gewässerstruktur auf einer größeren räumlichen Skala als die Maßnahme selbst berücksichtigt werden muss. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse haben Renaturierungsmaßnahmen im Bereich einer mittleren regionalen Gewässerstruktur den größten Erfolg die Lebensgemeinschaften und damit den ökologischen Zustand der Gewässer zu verbessern. Die Errichtung von Trittsteinbiotopen, d.h. kleinräumig guten Gewässerbereichen, ist nur im Bereich einer ausreichenden regionalen Gewässerstruktur empfehlenswert. Werden Trittsteinbiotope im Bereich einer schlechteren regionalen Gewässerstruktur angelegt so müssen sie zahlreich genug sein, um eine regionale Gewässerstruktur von mittlerer Qualität hervorzubringen.