Forschungspreis 2003 Totholz im Wirtschaftswald: Wieviel hat es und wieviel braucht es?

Zu seinem 20-jährigen Jubiläum hat das Ökobüro Hintermann & Weber AG erstmals einen Preis für praktische Naturschutz-Forschung verliehen: Die Preissumme von 5000 Franken geht an Rita Bütler Sauvain von der ETH Lausanne. Die Biologin hat eine elegante Methode entwickelt, wie der Totholzanteil von Wäldern zu bestimmen ist.

Die Jury hatte unter 31 eingereichten Arbeiten auszuwählen. Ausschlaggebend für die Wahl der Preisträgerin war ihr Mut zur Formulierung einer klaren, gut begründeten und umsetzbaren Zielvorgabe für den Totholzanteil im Wirtschaftswald. Zugleich hat Rita Bütler Sauvain eine rationelle Methode zur Erfassung des Totholzanteils im Fichtenwald per Infrarot-Satellitenbilder entwickelt.

Totholz ist ein bedeutender Indikator für Artenvielfalt im Ökosystem Wald. Zahllose Insekten, Vögel, Pilze und Flechten hängen ganz oder teilweise von toten Bäumen ab. Um die biologische Vielfalt zu fördern muss eine moderne, nach haltige Waldwirtschaft – ausser für gesunde Bäume – auch für genügend Totholz sorgen. Unberührte Urwälder erreichen einen Totholzanteil von gegen 30 Prozent. Bütler Sauvain kommt in ihrer ausgezeichneten Arbeit zum Schluss, dass im Wirtschaftswald ein Anteil von 5 Prozent an toten Bäumen ausreicht, um die Artenvielfalt zu erhalten.


Zusammenfassung der Arbeit

Totholz ist ein bedeutender Indikator für Artenvielfalt im Ökosystem Wald. Zahllose Insekten, Vögel, Pilze und Flechten hängen in ihrem Lebenszyklus ganz oder teilweise von toten Bäumen ab. Die moderne nachhaltige Waldwirtschaft muss deshalb – ausser für gesunde Bäume – auch für genügend Totholz sorgen, um dadurch die biologische Vielfalt zu fördern. Heutzutage weiss man allerdings nicht genau, wie viel Totholz dafür eigentlich nötig ist. Auch fehlen zur Zeit noch kostengünstige Methoden für die Totholzquantifizierung. Diese ist aber unerlässlich, will man die Fortschritte Richtung Erhaltung oder Wiederherstellung der Artenvielfalt messen. Die vorliegende Studie hat sich darum folgende Ziele gesetzt: Erstens soll eine rationelle Methode für die mengenmässige Erfassung von stehenden, toten Bäumen entwickelt werden. Zweitens sollen ökologisch sinnvolle Totholz-Zielwerte formuliert werden. Die erwähnte Methode stützt sich auf Infrarot-Luftbilder und ein Geografisches Informationssystem (GIS) und ist speziell für den Fichtenwald ausgearbeitet worden. Sie dient zur Anfertigung von Totholz-Karten und zur Berechnung der Totholzdichte pro Flächeneinheit (z.B. Hektare). Tote Fichten mit einem Durchmesser von = 25 cm können mit einer Genauigkeit von ± 1 Baum pro Hektare erfasst werden. Diese Luftbild-GIS-Methode ist viel schneller als herkömmliche Feldmethoden. Für die Festlegung von Richtlinien für Totholzmengen könnte man sich z.B. an Ur- und Naturwäldern orientieren. Jedoch sind deren Totholzmengen manchmal so extrem hoch – bis zu 30% des stehenden Vorrats –, dass sie als Richtwerte für bewirtschaftete Wälder nicht in Frage kommen. Einen anderen Weg können Tiere und Pflanzen zeigen, die besonders stark von toten Bäumen abhängen, im Fichtenwald z.B. der Dreizehenspecht. Darum haben wir uns für die Ermittlung von ökologisch sinnvollen Totholz-Zielwerten an den Lebensraumansprüchen dieser Vogelart orientiert. Dieser Specht wurde zudem in früheren ökologischen Untersuchungen als Zeigerart für Merkmale natürlicher Fichtenwälder und hoher Artenvielfalt erkannt. Wir führten eine Feldstudie in der Schweiz und in Schweden durch, um die genauen Totholzansprüche des Dreizehenspechts in subalpinen Fichtenwäldern und borealen Nadelwäldern zu untersuchen. In beiden Fällen fanden wir eine klare Beziehung zwischen zunehmender Totholzmenge und der Wahrscheinlichkeit, dass ein Spechtterritorium besetzt ist.