Die Verordnung über den Natur- und Heimatschutz verlangt die Überwachung der biologischen Vielfalt in der Schweiz. Der entsprechende Artikel 27a ist seit 2000 in Kraft. Im folgenden Jahr startete das Bundesamt für Umwelt (BAFU) mit den Felderhebungen zum Biodiversitätsmonitoring Schweiz (BDM). Unsere Firma war bereits beim Aufbau des BDM beteiligt und koordiniert die Erhebungen seit Beginn. In der Zwischenzeit sind diverse weitere nationale und kantonale Monitoringprogramme entstanden. Denn die Umweltbeobachtung im Bereich Natur und Landschaft hat heute einen deutlich höheren Stellenwert als vor zwanzig Jahren.
Monitoringprogramme schliessen Lücken
Die Biodiversität ist ein höchst komplexes Phänomen: Es umfasst die Vielfalt von Genen, Individuen, Populationen, Arten, Habitaten und Lebensgemeinschaften. Wobei der Fokus im Naturschutz vor allem auf den Arten liegt. Denn Arten lassen sich relativ einfach erfassen und Veränderungen leicht verständlich kommunizieren. Auch im BDM konzentrieren wir uns mehrheitlich auf Arten, wohl wissend, dass dies nur ein Aspekt der Biodiversität ist. Zusätzlich zu den Roten Listen der gefährdeten Arten, die eine zentrale Grundlage für die Naturschutzpolitik liefern, hat sich heute ein Mosaik aus mehreren nationalen und kantonalen Monitoringprogrammen etabliert. Nebst dem BAFU und den Kantonen sind verschiedene Forschungsinstitute, private Büros sowie InfoSpecies, das Schweizerische Informationszentrum für Arten, an der Erarbeitung der nationalen Datengrundlagen zur Biodiversität beteiligt. Dank dieser Zusammenarbeit können hoffentlich bald weitere Wissenslücken geschlossen und auch wichtige Fragen, beispielsweise zur Veränderung von Insektenvorkommen, beantwortet werden.
Spezialist:innen und Kontinuität
Die BDM-Daten
über den Zustand und die Entwicklung der Artenvielfalt sollen helfen,
dass neue Trends frühzeitig bemerkt werden. Der Handlungsbedarf soll
erkannt und Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung gestellt werden.
Damit eine gute Datenqualität sichergestellt ist und die Kontinuität
gewährleistet bleibt, sind zwei Punkte besonders wichtig. Erstens ist
ein grosses Team an gut ausgebildeten Spezialist:innen erforderlich.
Denn sie erheben jährlich die vorkommenden Arten in den zahlreichen,
über die ganze Schweiz verteilten Untersuchungsflächen. Und dies nicht
immer unter einfachen Bedingungen. Die Ausbildung von neuen
Artspezialist:innen ist daher eine
zentrale Daueraufgabe. Zweitens
ist es wichtig, dass die Daten in klar definierter und konstanter Art
und Weise erhoben werden. Nur so kann vermieden werden, dass sich
Methodenänderungen auf die erfassten Daten auswirken und irrtümlich als
Veränderungen der Biodiversität interpretiert werden.
Überraschend grosse Dynamik
Die seit gut zwanzig Jahren erhobenen BDM-Daten zeigen, dass sich Vieles bewegt: Arten verschieben sich grossräumig
in
ihrer Verbreitung und allmählich verändern sich ganze
Artgemeinschaften. Zudem zeigen die Roten Listen deutlich, dass die
Bestände vieler Arten abnehmen. Aber es gibt auch Arten, die von
veränderten Umweltbedingungen profitieren und sich deutlich ausbreiten.
Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist der Kurzschwänzige
Bläuling, ein ehemals seltener Schmetterling, der heute im gesamten
Mittelland anzutreffen ist. Die beschriebenen Veränderungen wirken sich
aber nicht nur auf einzelne Arten aus. Sie beeinflussen ganze
Nahrungsketten, in denen verschiedene Artengruppen in Beziehung
zueinander stehen. Mit Daten aus den verschiedenen Monitoringprogrammen
können solche Zusammenhänge aufgezeigt werden. So beispielsweise das
Verhältnis zwischen der Wasseramsel und ihren Beutetieren. Hierzu wurden
BDM-Daten zum Nahrungsangebot (Gewässerinsekten) mit Daten über
Wasseramselreviere aus dem Monitoring Häufiger Brutvögel der Vogelwarte
Sempach kombiniert.
Themen wandeln sich
Nicht nur die Biodiversität
ist einem grossen Wandel unterworfen, sondern auch die aktuell als
relevant erachteten Umweltthemen. Wie Daten analysiert und interpretiert
werden, ist ein Abbild der momentanen gesellschaftlichen und
politischen Entwicklungen. War der Begriff der Biodiversität beim Start
des BDM nur wenig bekannt, ist er heute in aller Munde. Die Fragen,
welche mit der Biodiversität in Verbindung gebracht werden, haben sich
dabei markant verändert. Ebenso wurde der Klimawandel Ende der 1990er
Jahre noch nicht breit diskutiert. In den Vorstudien zum BDM sucht man
diesen Begriff vergeblich, was aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar
ist. Denn inzwischen gehen wir davon aus, dass der Klimawandel eine der
wichtigsten Ursachen für die beobachtete Dynamik der Artenvielfalt ist:
In wenigen Jahren haben ganze Artengruppen ihren Lebensraum
nachweislich in die Höhe verschoben. Seit Beginn des BDM ist uns diese
Wandelbarkeit bewusst, was ins Erhebungskonzept mit eingeflossen ist. So
wurden die Stichprobenflächen über alle Höhenstufen verteilt. Zudem
entschied man sich für die Überwachung ganzer Artengruppen anstatt
einzelner Arten. Obwohl es üblicher gewesen wäre, lediglich eine
Auswahl von Indikatorarten zu beobachten, welche zu jener Zeit im Fokus
gestanden sind.
Kontinuität zahlt sich aus
Das Projekt BDM des
BAFU läuft nun seit 20 Jahren und erfasst die Artenvielfalt in der
Schweiz mit nahezu unveränderten Methoden.
Forschende schätzen die
Qualität und Kontinuität der Daten und verwenden sie für verschiedene
Zwecke. Zum Beispiel, um damit den Zusammenhang zwischen
Landschaftsqualität und Biodiversität aufzuzeigen oder um kritische
Werte der Stickstoffdeposition für verschiedene Habitate festzulegen.
Diese «Critical Loads» fliessen in die internationale Politik zur
Luftreinhaltung ein und tragen schliesslich zum Schutz gefährdeter
Lebensräume bei. Im Auftrag des BAFU und gemeinsam mit unseren
zahlreichen Partner*innen dürfen wir weiterhin in diesem spannenden
Feld zwischen Konstanz und Weiterentwicklung arbeiten. Das freut uns
sehr. Und wir hoffen, dass die heute erhobenen Daten dabei helfen, die
brennenden Fragen von morgen beantworten zu können.