Aktionspläne für zwei gefährdete Schneckenarten im Kanton Bern
Zwei Habitat-Spezialistinnen im Portrait
Die Vierzähnige Windelschnecke besitzt ein rötlich-braunes, glänzendes Gehäuse. Der Mündungsbereich ist mit vier charakteristischen Zähnen ausgestattet. Die Alpen-Puppenschnecke ist etwas grösser, die Mündung unbezahnt und die Gehäuseoberfläche kräftig gestreift. Den beiden Habitat-Spezialistinnen ist gemein, dass sie in der dauerfeuchten Streu- und Moosschicht von kalkreichen Flachmooren (z.T. auch Übergangsmooren) und oft auf nur wenigen Quadratmetern leben. Aufgrund ihrer Grösse und der eingeschränkten Bewegungsrate sind die zwei bis drei Millimeter kleinen Schneckenarten sehr anfällig für Veränderungen in ihren Lebensräumen. Bewirtschaftungsaufgabe und -intensivierung, Verbuschung und Verschilfung, sowie vermehrte Trockenperioden infolge fortschreitender Klimaerwärmung setzen den wenigen verbleibenden Populationen zu. Die Vierzähnige Windelschnecke gilt gemäss Roter Liste der Weichtiere der Schweiz denn auch als «vom Aussterben bedroht», die Alpen-Puppenschnecke als «stark gefährdet».
Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Im Rahmen der Erarbeitung der Aktionspläne wurden alle bekannten Fundmeldungen der beiden Arten im Kanton Bern überprüft. Eine ziemliche Herausforderung bei so kleinen und verborgen lebenden Arten! Beim Vorgehen konnten wir uns an der FFH-Methode orientieren, denn die Vierzähnige Windelschnecke gilt auch in der EU nach Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als streng geschützte Art und wird regelmässig überwacht. Anfängliche Zweifel an der Nachweismethode mittels «Handfänge» sind dabei schnell verschwunden: Tatsächlich liessen sich die winzigen Tierchen (mit etwas Geduld und Übung) recht zuverlässig auffinden. Dazu wurde in den vermuteten Lebensraumbereichen die feuchte Streu- und Moos-schicht mit den Händen flächig abgetastet. Herumkriechende Schneckchen können dabei mit ihrem Weichkörper an den Handflächen kleben bleiben und mit einer guten Lupe direkt im Feld bestimmt werden. Mit der Aufbereitung und Analyse zusätzlicher Streueproben wurden die Populationsdichten pro Erhebungsgebiet bestimmt. Dazu wurde Streu und Moos von zufällig gewählten Probeflächen entnommen, mehrfach gewaschen, gesiebt und alle Gehäuse unter dem Binokular ausgezählt und bestimmt. Aus diesen Erhebungsdaten liessen sich Rückschlüsse zum besiedelten Mikrohabitat und der vorherrschenden Vegetation ziehen. Mit einem Bewertungsschema liessen sich so die Zustände der Populationen beurteilen, Gefährdungsursachen erkennen und mögliche Fördermassnahmen ableiten. Ein schöner Nebeneffekt: Bei der Suche auf allen Vieren konnten auch einige weitere Vorkommen ebenfalls stark gefährdeter Schneckenarten (z.B. Gestreifte-, Schmale- und Sumpf-Windelschnecke) bestätigt oder neu entdeckt werden!
Erfreuliche Bilanz und Ausblick
Bei der Vierzähnigen Windelschnecke konnten drei, bei der Alpen-Puppenschnecke eine Population im Kanton Bern bestätigt werden. Aufgrund der verborgenen Lebensweise und der gehäuften Extremereignisse der letzten Jahre (Trockenperioden, Überschwemmungen) ist das für die natürlicherweise seltenen Arten eine durchaus erfreuliche Bilanz. Insbesondere, da einige Nachweise bereits viele Jahre zurücklagen. In der nächsten Projektphase sollen nun die standortspezifischen Gefährdungsursachen (allen voran die fortgeschrittene Verschilfung) durch Anpassungen der Bewirtschaftung abgemildert werden. Dazu sind wir auf eine gute Zusammenarbeit mit den Bewirtschafter:innen angewiesen. Wenn diese Massnahmen gut abgestimmt sind, können davon auch weitere und vermeintlich attraktivere Zielarten des Naturschutzes, beispielsweise der Grosse und der Dunkle Moorbläuling, profitieren.