Forschungspreis 2024 Space Use of the White-Backed Woodpecker in a Heterogeneous Landscape: Implications for Forest Management.

Der Hintermann & Weber-Forschungspreis für Naturschutz wird 2024 an Antonia Ettwein von der Uni Zürich verliehen. Der Preisträgerin ist es mit ihrer Dissertation an der Schweizerischen Vogelwarte gelungen, am Beispiel des seltenen Weissrückenspechts das Potenzial bewirtschafteter Wälder für Habitatspezialisten der naturnahen Wälder zu ergründen. Sie hat hierfür die Aktivitäten von rund 60 Spechten verfolgt, die sie vorher gefangen und mit kleinen Sendern ausgerüstet hat. Die Ergebnisse belegen, dass auch der Wirtschaftswald einen wertvollen Beitrag zum Erhalt des seltenen Spechts leisten kann, wenn Totholz und dicke, alte Bäume in der Nähe von alten Beständen angeboten werden können. Ihre neuen Erkenntnisse machen es möglich, den Weissrückenspecht künftig noch gezielter und wirksamer zu fördern. Darüber hinaus besteht Grund zur Hoffnung, dass von Massnahmen wie dem Erhalt von Habitatbäumen die ganze Lebensgemeinschaft naturnaher Waldbestände – auch im Wirt-schaftswald! – profitieren kann, darunter diverse bedrohte Totholzkäfer und Flechten.
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Der europaweit seltene Weissrückenspecht bewohnt naturnahe Wälder mit einem hohen Anteil an absterbenden und toten Bäumen, v.a. Laub- und Laubmischwälder. Sein europäischer Verbreitungsschwerpunkt liegt in Osteuropa, die Art kommt aber auch auf dem Balkan und mit Reliktvorkommen in den Pyrenäen, den Alpen und den Karpaten vor. In den Alpen ist er von Osten bis nach Liechtenstein und in die östliche Schweiz verbreitet.

Die Preisträgerin ist mit dem Anspruch angetreten, mehr über das Potenzial bewirtschafteter Wälder als Lebensraum für «Urwaldarten» zu erfahren. Dazu hat sie die Habitatansprüche und die Raumnutzung des Weissrückenspechts intensiv untersucht, ein typischer Vertreter dieser Lebensgemeinschaft. Ganze 60 Spechte hat sie gefangen, mit kleinen Sendern ausgerüstet und über die Zeit verfolgt. Die Mischwälder im Grenzgebiet der Schweiz, Vorarlbergs und Liechtensteins zwischen 600 und 1300 m über Meer waren ihr Untersuchungsgebiet.

Zunächst bestätigte die Studie von Antonia Ettwein die Abhängigkeit des Weissrückenspechts von alten Waldbeständen mit geringer Bewirtschaftungsintensität und reichlich Totholz als Bruthabitat. Neu hat sie aber zeigen können, dass Weissrückenspechte ausserhalb der Brutzeit flexibler in ihrer Raumnutzung und deutlich weniger an alte Laubwälder gebunden sind. Da sie aber auch hier gezielt Totholz und Bäume mit grossem Stammdurchmesser zur Nahrungssuche aufsuchen, bilden diese die Voraussetzung, dass auch intensiver bewirtschaftete Bestände genutzt werden können. Ihre Ergebnisse belegen, dass auch der Wirtschaftswald einen wertvollen Beitrag zum Erhalt des seltenen Spechts leisten kann, wenn hier Totholz und Habitatbäume in der Nähe alter, nur wenig genutzter Bestände im Angebot sind.

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Spechtbaum

Die Preisträgerin geht davon aus, dass der Weissrückenspecht in der Schweiz einst auch deutlich weiter westlich verbreitet war (worauf u.a. ein früheres Vorkommen im Schwarzwald hindeutet). Aus diesem Grund und weil der Bestandstrend in der Schweiz derzeit positiv ist, sind wir zuversichtlich, dass eine weitere Ausbreitung nach Westen gelingen kann. Dabei können Massnahmen im Wirtschaftswald, die sich auf die Erkenntnisse der Preisträgerin abstützen, durchaus eine Rolle spielen.

Darüber hinaus gilt der Weissrückenspecht als Schirmart für viele andere Organismen, die mit alten Wäldern assoziiert sind, z.B. bedrohte Totholzkäfer. Er ist ein guter Ansporn noch mehr für diese bedrohte Lebensgemeinschaft zu tun, nicht zuletzt auch im Wirtschaftswald. Dabei soll auch das Konzept des Habitatbaums wieder stärker ins Bewusstsein der Förster:innen und Naturschützer:innen rücken. Beherzt und richtig ausgeführt bewirkt dies mehr als einen Tropfen auf den heissen Stein.

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