Forschungspreis 2006 Public Support for River Restoration Funding in Relation to Local River Eco-morphology, Population Density, and Mean Income

Der vierte H&W-Forschungspreis geht an Dr. Felix Schläpfer und Pieter-Jan Witzig vom Institut für Umweltwissenschaften der Universität Zürich. Unter sechzehn eingereichten Arbeiten hat sich die Jury für ihre Untersuchung über die Akzeptanz von Flussrevitalisierungen in der Bevölkerung des Kantons Bern entschieden.
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Die Studie analysiert das Abstimmungsverhalten der Stimmbürger bei der 1997 angenommenen Initiative «für einen Renaturierungsfonds im Wassernutzungsgesetz». Untersucht wird der Einfluss verschiedener Faktoren auf die aggregierten Abstimmungsergebnisse für die einzelnen Gemeinden, darunter die Bevölkerungsdichte und das mittlere Einkommen der Gemeinden, georeferenzierte ökomorphologische Merkmale der lokalen Fliessgewässer als Mass für ihre Natürlichkeit oder das Auftreten von Überschwemmungsereignissen. Die beiden Autoren zeigen, dass die Zustimmung bei hoher Bevölkerungsdichte und grösserem Einkommen anstieg, in Regionen mit mehr naturnahen Fliessgewässern dagegen sank.

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Die Resultate weisen darauf hin, dass das Abstimmungsverhalten stark vom individuellen Nutzen geprägt ist, den die lokale Bevölkerung aus dem Allgemeingut «Fliessgewässer» ziehen kann. Diese und andere Ergebnisse sind von besonderem Interesse, wenn es darum geht, Umwelt- und Naturschutzanliegen zu propagieren und zu finanzieren. Beispielsweise müsste eine zielführende Abstimmungskampagne berücksichtigen, dass die Stimmbürger die Vor- und Nachteile eines Projekts je nach den lokalen Verhältnissen unterschiedlich bewerten.

Bedeutend könnten die Erkenntnisse bereits vor dem Hintergrund der im Juli eingereichten Volksinitiative «Lebendiges Wasser» sein. Die vom Schweizerischen Fischerei-Verband lancierte Initiative fordert die Sanierung und Renaturierung beeinträchtigter Fliessgewässer sowie ausreichende Restwassermengen.

Zusammenfassung der Arbeit

So wie das individuelle Verhalten auf Märkten über die Nachfrage für private Güter wie Schokolade und Ferienreisen Auskunft gibt, so kann anhand von geeigneten Volksabstimmungen die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen charakterisiert werden. 1997 war die Berner Stimmbevölkerung aufgerufen, über eine Volksinitiative zu entscheiden, die verlangte, dass im Kanton jährlich 3 Millionen Franken in die Renaturierung von Fliessgewässern investiert werden. Bei einer Bevölkerung von rund 1 Million entspricht dies im Durchschnitt etwa 5 Franken pro Steuerzahler und Jahr. Die Initiative wurde mit einem Ja-Stimmenanteil von 54 Prozent angenommen.

Anschliessend an die Abstimmung kartierte das Gewässer- und Bodenschutz-Labor des Kantons Bern den ökologischen Zustand der Fliessgewässer im ganzen Kanton und machte den räumlichen (GIS-)Datensatz in digitaler Form verfügbar. Zusammen mit den Abstimmungsresultaten und weiteren Kennzahlen der rund 400 Gemeinden erlauben diese Daten eine Charakterisierung der Nachfrage für Gewässerrenaturierungen. Insbesondere geben sie Antworten auf die Fragen (1) ob der Gewässerzustand lokal wahrgenommen wird, (2) wo der wahrgenommene Nutzen von Flussrenaturierungen am grössten ist und (3) wie die Kosten von Renaturierungen angemessen verteilt werden können, um eine möglichst breite Akzeptanz zu schaffen.

Mit statistischen Methoden (sogenannte multiple Regression) ermittelten wir, wie verschiedene Merkmale der Gemeinden das Abstimmungsverhalten beeinflusst haben. Dabei untersuchten wir, wie sich die Merkmale einzeln auswirkten. Wir haben also z.B. berechnet, welchen Einfluss ein höheres Einkommen bei gleich bleibender Bevölkerungsdichte etc. hatte.
Die Analyse ergab folgende Resultate. Die Zustimmung zur Initiative stieg
– mit steigendem Durchschnittseinkommen (um rund 1.7 Prozentpunkte je 10'000 Fr./Jahr)
– mit steigender Bevölkerungsdichte (um rund 2.5 Prozentpunkte je 1000 Personen/qkm)
– mit abnehmender durchschnittlicher Natürlichkeit der Fliessgewässer im Umkreis von 2 km um die Siedlungsgebiete (um rund 2 Prozentpunkte je Natürlichkeitsklasse (Klassen 1-5 von «eingedolt» bis «naturnah oder natürlich»).
Weitere Merkmale, wie die Sprachregion, die Naturräume und lokale Hochwasserereignisse in den vorhergehenden Jahren wirkten sich nicht eindeutig auf das Abstimmungsverhalten aus.

Die Resultate legen folgende Schlüsse nahe:

  • Der ökologische Zustand von Fliessgewässern wird lokal wahrgenommen und wirkt sich auf die (politische) Nachfrage für Renaturierungen aus.
  • Die Nachfrage für Renaturierungen ist am grössten in dicht besiedelten und reichen Gemeinden mit Fliessgewässern, die in einem relativ naturfernen Zustand sind.
  • Die erhöhte lokale Nachfrage in Gemeinden mit relativ naturfernen Gewässern deutet darauf hin, dass in diesen Gemeinden – sofern sie die Vorlage annahmen – auch eine gewisse lokale Beteiligung an den Kosten akzeptiert würde. Eine solche Finanzierungslösung würde sicherstellen, dass die Renaturierungsprojekte dort realisiert werden, wo die lokale Bevölkerung dies wünscht und wo die Projekte dann auch lokal verankert sind. Die Zunahme der Befürwortung mit steigendem Einkommen legt nahe, dass Renaturierungsprojekte eher aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden sollten als über Gebühren, die pro Kopf oder über den Wasserverbrauch entrichtet werden. Auf diese Weise zahlt jeder etwa proportional zu seiner Zahlungsbereitschaft, was die Akzeptanz der öffentlichen Leistung tendenziell erhöht.