Naturnahe Grünflächen für einen attraktiven Siedlungsraum
Viele Einwohnergemeinden könnten noch deutlich mehr darauf hinwirken, dass auch im Siedlungsraum naturnahe und vielfältige Grünflächen entstehen. Eine einfache Gesamtplanung sowie überzeugende Musterbeispiele dürften hier allerdings mehr Wirkung entfalten als mahnende Hinweise auf ein Vollzugsdefizit.
Der Siedlungsraum ist auf den ersten Blick ein unwirtlicher Ort für Pflanzen und Tiere. Erstaunlich ist daher das Ergebnis aus dem Biodiversitätsmonitoring Schweiz, dass die Siedlung im Mittel reicher an Pflanzen-, Moos- und Schneckenarten ist als das Landwirtschaftsgebiet tiefer Lagen — wobei komplett versiegelte Flächen in dieser Betrachtung ausgeblendet sind. Das bedeutet: Gärten, Rabatten, Rasen, Randstreifen, Böschungen und Abstellplätze zeigen bereits heute eine gewisse Artenvielfalt. Würde wenigstens ein Teil dieser Flächen konsequent naturnah gestaltet und bewirtschaftet, wäre der Beitrag des Siedlungsraums an die «Ökologische Infrastruktur» noch grösser. Den Siedlungsraum ökologisch aufzuwerten, ist deshalb eines der Ziele, die der Bund und diverse Kantone in den kommenden Jahren verfolgen möchten. Die Förderung von Natur und Artenvielfalt soll nicht allein der Land- und Forstwirtschaft obliegen. Auch die urbane Schweiz mit ihren weitläufigen Infrastrukturanlagen soll einen Teil dieser Verantwortung tragen. In diese Richtung weisen etwa der Aktionsplan Biodiversität des Bundesrats und auch mehrere kantonale Biodiversitätsstrategien oder Fachplanungen für eine Ökologische Infrastruktur. Allerdings sind die Voraussetzungen, ökologisch wertvolle Flächen zu schaffen und zu erhalten, im Siedlungsraum ganz andere als im Offenland oder im Wald. Oft fehlen fachliche Grundlagen wie ein Naturinventar, das die wertvollen Lebensräume und Artvorkommen aufzeigt. Aufgrund der regen Bautätigkeit sind die Lage und die Qualität von Grünflächen und Freiräumen besonders unstet. Folglich ist es im Baugebiet viel schwieriger, einen langfristigen Schutz von Naturwerten sicherzustellen. Die üblichen Schutzzonen und -gebiete funktionieren kaum oder sind nicht durchsetzbar. Bauen und Entwickeln sind ausdrücklich vorgesehen, haben bei einer Interessenabwägung hohes Gewicht und sind mit wirtschaftlichen Vorteilen verknüpft.

Auslegeordnung der besten Optionen
Unter diesen Voraussetzungen braucht es für den Aufbau einer Ökologischen Infrastruktur (ÖI) im Siedlungsraum einen speziellen Ansatz. Sollen die Gemeinden tatsächlich als Akteure zugunsten der Natur wirken, müssen komplexe Konzepte wie die Fachplanung ÖI in konkrete Handlungsmöglichkeiten übersetzt werden, die auch im Siedlungsraum funktionieren. Es geht darum, in einer vereinfachten Planung für das Siedlungsgebiet einer Gemeinde aufzuzeigen, wo die beste Ausgangslage besteht, um Naturwerte zu schaffen und zu fördern. Und es wird geklärt, nach welchen Zielen die Grün- und Freiräume entwickelt werden sollen. Gemäss dieser Auslegeordnung kann die Gemeinde dann Gelegenheiten für hochwertige Grünflächen sowohl situativ im Rahmen von Bauvorhaben durchsetzen als auch in Eigenregie und mit Unterstützung Dritter langfristig realisieren — stets geleitet von einer Vision für eine Gemeinde mit attraktivem Wohn- und Arbeitsraum. Zusammen mit der Firma Quadra Mollis GmbH haben wir im Auftrag der Kantone Aargau, Bern und Zürich einen Vorschlag erarbeitet, wie die Kantone ihre Fachplanung ÖI auf den Siedlungsraum übertragen können. Die Gemeinden können diesen Faden nun aufgreifen und die Planung nach ihren Vorstellungen und Möglichkeiten vertiefen und in die Tat umsetzen.

Grünflächen konsequent aufgewertet
Eine Agglomerationsgemeinde, in der das Siedlungsgebiet für den Naturschutz eine bedeutende Rolle spielt, ist Aesch im Kanton Baselland. Zwar noch ohne eigene Fachplanung ÖI, dafür mit kommunalem Richtplan und einem detaillierten Naturinventar ausgerüstet, wurden in den letzten Jahren viele Gelegenheiten wahrgenommen, Naturwerte auch im Siedlungsraum zu verbessern. In einigen Fällen durften wir uns daran beteiligen. So haben wir Kompensationsmassnahmen für zwei verschiedene Bauvorhaben sowie ein eigenes Aufwertungsprojekt der Gemeinde so kombiniert, dass ein zusammenhängender Biotop-Komplex von rund 4,5 Hektaren aufgewertet werden konnte, der auch als Vernetzungsachse funktioniert. Dazu verwendet wurden unbebaute Restflächen und bestehende Grünzonen innerhalb des Wohn- und Gewerbegebiets: zwei kleine Aufforstungen, eine Schafweide und eine verwachsene Böschung. Entstanden sind neue Trockenstandorte, Blumenwiesen, vielfältige Waldränder und kleine Lichtwaldflächen. Die ersten Teile davon wurden 2013 gestaltet und werden seither konsequent durch den Forstdienst im Auftrag der Gemeinde gepflegt und von einer Fachperson unsererseits begleitet. Durch diese kontinuierliche Pflege und dank der Verwendung von Saatgut von hochwertigen Spenderwiesen aus der Umgebung ist der Artenreichtum einiger Wiesen bemerkenswert. Passant:innen schätzen die schöne Umgebung und nutzen die angrenzenden Spazierwege und Sitzgelegenheiten rege.

Artenförderung ohne Schutzgebiet
Der Siedlungsraum kann auch gefährdeten Arten Lebensraum bieten. Trockenheitsadaptierte Pflanzen wie die Bienenragwurz, Gebäudebewohner wie die Graue Langohrfledermaus oder typische Arten kleinräumiger Kulturlandschaften wie der Gartenrotschwanz finden in der Siedlung typischerweise einen passenden Lebensraum. Im Kanton Basel-Stadt erreicht der im Mittelland sonst nur noch spärlich vorhandene Gartenrotschwanz sogar rekordverdächtige Dichten. Die meisten Reviere befinden sich in Freizeitgärten oder in kleinflächigen Obstgärten. Den von uns im Auftrag der Stadtgärtnerei Basel erarbeitete Aktionsplan dürfen wir seit 2011 umsetzen. Mit einer Bestandeszunahme von bisher 20 % gelingt dies erfolgreich. Bisher wurden dezentral über 300 Massnahmen umgesetzt. Sie zielen darauf ab, artspezifische Bruthöhlen, Bäume als Sitzwarten, Insekten-Nahrung und Zugang zu den Beutetieren dank partiellem Schnitt der Wiesen bereitzustellen. Besonders spannend sind die Massnahmen in den Freizeitgärten, wo die Hobby- Gärtner:innen sensibilisiert werden und aktiv an den Fördermassnahmen teilnehmen. Zudem werden einzelne Parzellen gezielt als Lebensraum für den Gartenrotschwanz hergerichtet und bieten wichtige Refugien im Mosaik der Gärten. Der Aktionsplan erfordert ein konstantes Engagement. Nistkästen und Kleinstrukturen müssen erneuert und gepflegt werden, neue Kontakte geknüpft und Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Massnahmen sind jedoch bereits etabliert, dezentral vielfach verankert und funktionieren somit auch unabhängig von langfristig gesicherten Schutzzonen.
Unterstützung für Gemeinden
Das Innovationsprojekt «Umsetzungsstrategien für die Ökologische Infrastruktur» zeigt auf, wie sich der Aufbau eines Netzes an naturnahen, ökologisch wertvollen Flächen im Siedlungsraum in den Planungen der Gemeinden verankern lässt. Der im Rahmen dieses Projekts verfasste Leitfaden ist stark anwendungsorientiert und richtet sich an kommunale Behörden von mittleren und kleinen Gemeinden.
Verfügbar ab Juli 2025 unter www.öim.ch.
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- Naturnahe Grünflächen für einen attraktiven Siedlungsraum (Mai 2025)
- Des espaces verts proches de la nature pour un milieu urbain plus attrayant (mai 2025)